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Der Hofmeister

von Jakob Michael Reinhold Lenz

Schiffbau/Halle

Premiere am 14. Januar 2010

Unterstützt von der Zuger Kulturstiftung Landis & Gyr


Insterburg, eine preussische Kreisstadt bei Königsberg an der Ostsee. Der Pfarrerssohn Läuffer tritt widerwillig eine schlecht bezahlte Stelle als Hofmeister, also Privatlehrer, an. Im Haus der Adelsfamilie von Berg gerät er rasch zwischen die pädagogischen Fronten: Der Hausherr, ein Major, erwartet Drill an seinem Sohn Leopold und Sanftmut gegenüber Gustchen, seiner Tochter; die Majorin interessiert sich allein für Bildungsdarstellung zum Zweck der Repräsentation; des Majors Bruder wiederum wirbt als Geheimer Rat und somit hoher Staatsbeamter für das öffentliche Schulsystem und verachtet Läuffer wie alle Hofmeister für ihre Devotheit (dabei hat er Läuffers Bewerbung zum Stadtschullehrer selbst abgelehnt). Die Kindergeneration entzieht sich jedoch allen Erziehungsabsichten. Gustchen schwärmt für ihren Cousin Fritz und als dieser zum Studieren fort geht, lässt sie sich in der familiären Sommerresidenz in Heidelbrunn von Läuffer verführen. Der drohende Skandal zwingt Läuffer und Gustchen aufs Land bzw. in den Wald zu fliehen, Gustchen landet bei einer blinden alten Frau, die ihre Hebamme wird, Läuffer – ausgerechnet – bei einem Dorfschullehrer. In Halle/Leipzig ist währenddessen ein weiterer Schauplatz eröffnet worden: Fritz wird in die finanziellen Machenschaften und erotischen Abenteuer seines Kommilitonen und Insterburger Freundes Pätus verwickelt…


Lenz hat seinem Drama den ironischen Untertitel „Vorteile der Privaterziehung“ gegeben. 1774 veröffentlicht, wurde diese erste deutsche Tragikomödie zu Anfang Goethe zugeschrieben. Lenz’ tragisches Verhältnis zu „Bruder Goethe“ fliesst auch in seine Literatursatire „Pandaemonium Germanicum“ ein, die in Frank Castorfs Inszenierung ebenso Verwendung findet wie Büchners Novelle „Lenz“ (1835) und Heiner Müllers Stück „Die Schlacht“. Letztere „Szenen aus Deutschland“, geschrieben 1951 und 1974, reflektieren die Frontverläufe am Ende des 2. Weltkrieges.

„Der Wüste lebt.“ Süddeutsche Zeitung


„Wie aus dem Lehrbuch ist in Zürich zu studieren, was den Zauber des Castorf-Theaters ausmacht.“ Südkurier


„Der lange Theaterabend, der mit glänzenden Schauspielern ein wahres Theaterfest entfaltet, ist nicht frei von Widersprüchen und Masslosigkeiten. Doch er hält die Zuschauer wach und zeigt eine packende Lektüre von Stück und Stoff: ein heftiges wie lustvolles Spiel mit allen Mitteln des Theaters.“ Neue Luzerner Zeitung


„Man wechselt mal kurz und virtuos die Rollen und die Epochen, die Dialekte und den Jargon. Alles ist ein böses Spiel, selbst die allseits seligmachende Auflösung. Tolstoi darf zwischendurch von der Schlechtigkeit des Menschen fabeln, und unsere munteren Mimen lassen sie fühlen – und machen uns lachen.“ Tages-Anzeiger


„Grandios in seiner Selbstgerechtigkeit: Gottfried Breitfuss. Den seelisch verwundeten Hofmeister gibt Niklas Kohrt fabelhaft unsympathisch. In dieser Inszenierung bekommt wirklich jeder sein Fett weg.“ Tages-Anzeiger


„Allein wegen Lilith Stangenberg sind die fünf Stunden, die uns Frank Castorf mit anstössigem, anregendem, nie erreichtem Theaterton unterhält, fünf kurze Stunden minus eine Suppenverköstigung in der Pause, jede einzelne Sekunde wert.“ Die Weltwoche


„In der besten Szene des Abends beharken sich die Majorin, Ursula Doll als hochtoupierte Dekadenz-Ikone, und ihr Liebhaber, der Graf Wermuth (Aurel Manthei), auf einem Klavier sitzend, die Füsse auf der Tastatur, und die Zufallsakkorde, die sie dabei erzeugen, untermalen ihren Clinch als Tonspur. Sodann kommt der Major mit einem Traktor auf die Bühne gefahren. Aber nicht die PS-Stärke ist hier ausschlaggebend, sondern wie Hunger-Bühler seine Eifersucht nonverbal zum Ausdruck bringt: indem er Heugabel und Schaufel an das untreue Paar verteilt und sie zu Erntehelfern degradiert. Der Aberwitz und die Chuzpe, der szenische Mehrwert, der entsteht, wenn Castorf solche spielerischen Kommentarebenen etabliert – ist genau das, was ihn berühmt gemacht hat.“ Süddeutsche Zeitung


„Das bringt mit einem großartigen Ensemble Spaß und Tiefgang: das Paar Guste-Fritz von Lilith Stangenberg und Franz Beil, Irina Kastrinidis und Julia Kreusch mit diversen Frauenfiguren und in einer Paraderolle, Siggi Schwientek als Schulmeister Wenzeslaus. Sie alle liefern Charakterstudien ab, die in aller Fremdheit der Lenz’schen Sprache in die Gegenwart übertragbar sind. Und so formt Castorf aus dem alten Stoff eine vielschichtige und spannende Sozialstudie.“ Der Tagesspiegel


„Das Direkteste und Beste dieser Inszenierung ist etwas, das in ihren dunkleren Nischen zu entdecken ist – das Ringen eines Künstlers um Theater, seine Ängste, sein Ehrgeiz, seine Verzweiflung: Lenz.“ Tages-Anzeiger

Mit Gottfried Breitfuss, Robert Hunger-Bühler, Ursula Doll, Lilith Stangenberg, Julia Kreusch, Aurel Manthei, Patrick Güldenberg, Winnie Böwe, Irina Kastrinidis, Rudolf K. Rath, Siggi Schwientek, Niklas Kohrt, Franz Beil
Regie
Frank Castorf
Bühne
Hartmut  Meyer
Kostüme
Jana Findeklee, Joki Tewes
Dramaturgie
Roland Koberg
Regieassistenz
Mélanie Huber
Bühnenbildassistenz
Anja  Kerschkewicz
Praktikum Regie
Simone Karpf
Bühnenbildhospitanz
Veronique Gollut
Kostümhospitanz
Dominik Raiser
Regiehospitanz
Martin Cantieni
Soufflage
János Stefan Buchwardt
Inspizienz
Lukas Grüter
Licht
Markus Keusch

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