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Welches Jahr haben wir gerade?

von Afsane Ehsandar
Pfauen/Kammer
Premiere am 17. September 2017
Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin
Unterstützt von der Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses
 

„Heute Morgen bin ich durchgedreht“, beginnt die Frau aus der neuen Heimat zu erzählen. Sie spricht zunächst von harmlosen Spaziergängen, dann aber wird eine Polizeikontrolle zum Übergriff, eine Begegnung mit Landsmännern zur brutalen Demütigung. Der Mann, dem sie die Geschichten anvertraut, stellt immer wieder prüfend Detailfragen. Ist er ihr Partner oder will er sie entlarven? Wo ist sie, wo ist er? Ist die Flucht in ein neues Leben geglückt oder sind die beiden getrennt worden? Irgendwo läuft ein Tonband – lebenswichtige Beweismittel oder Notate zur Selbstvergewisserung? Welche Geschichte muss die Frau erzählen, um Bleiberecht zu erhalten?
 
Die iranische Autorin Afsane Ehsandar lebt seit Kurzem in Berlin und ist als Autorin und Lektorin tätig. Das Kurzstück „Welches Jahr haben wir gerade?“ gewann als eines von drei Stücken den Autorenwettbewerb der Autorentheatertage 2017. Wichtiges Vorbild für „Welches Jahr haben wir gerade?“ war für die Autorin der Dialog „Ashes to Ashes“ des britischen Dramatikers Harold Pinter, worin vieles zunächst fantastisch und rätselhaft wirkt, sich aber im Verlauf der Geschichte als eine Logik verschiedener Erzählebenen entschlüsselt.

„Ein leises, kurzes und intensives Kammerspiel, das jetzt im Schauspielhaus Zürich in der Kammer unter dem Pfauen zu sehen ist.“ St. Galler Tagblatt

„Das Stück „Welches Jahr haben wir gerade?“ überzeugte am Eröffnungswochenende in Zürich.“ NZZ

„Huber lässt ihr kleines Ensemble immer wieder Passagen als intensive, melancholische Weisen singen, wenn das gesprochene Wort für die Verlorenheit nicht mehr ausreicht. So entwickelt sich ein dichtes, mehrstimmiges Geflecht aus Texten, Tönen und Geräuschen; ein beklemmender Assoziationsraum, dem die Bühnenbildnerin Marie-Luce Theis mit einem leeren Schwimmbecken, das Kriegsruine ebenso sein könnte wie Verhörraum, einen starken Rahmen gibt.“ Tages-Anzeiger

„Es geht um Flucht, um totale Verunsicherung und darum, dass den Figuren dabei ihre eigne Geschichte abhandenzukommen scheint: Was ist Albtraum, Trauma, was war real? Wie Sarah Gailer und Sarah Hostettler ganz bei sich und doch eine Figur bilden, ist beiden Darstellerinnen wie der Regie hoch anzurechnen.“ Luzerner Zeitung

„Für ihre Inszenierung am Schauspielhaus Zürich hat die Regisseurin Mélanie Huber die Rolle der Frau gespalten und auf Sarah Gailer und Sarah Hostettler verteilt, der Mann spielt Nicolas Rosat. Die drei singen immer wieder Textpassagen – vorwiegend melancholisch und so eindringlich, als würde die gesprochene Sprache nicht ausreichen, als bräuchten sie andere Ausdrucksmittel, um von ihrer Zerrissenheit, Verzweiflung und ihrer elementaren Fremde zu berichten. (...) Eine kleine, feine, hochverdichtete Inszenierung, die mit ihrem überzeugenden formalen Spektrum das komplex segmentierte Stück ebenbürtig erschliesst.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Das Stück umkreist eigentlich einzig mit Fragen den Themenkomplex der kaum auszuhaltenden absoluten Verlorenheit. Durch die Aufteilung der Figur auf drei Frauen(stimmen), kann dieser Umstand in seiner Eindringlichkeit kongenial gesteigert dargestellt werden. Denn damit lässt sich einzig durch verschiedene Körperhaltungen, Ton- und Stimmlagen die paradoxe Gleichzeitigkeit von Fakt und Gegenteil als zeitgleich auftretende und glaubwürdig erscheinende Erinnerungsschleier in einer eindringlichen Klarheit darstellen, dass die endlose Tiefe des Abgrundes dieser völligen Orientierungslosigkeit nachgerade physisch nachvollziehbar wird. Gegen ein potenziell deprimierendes Grundgefühl arbeitet der sichtbare Wille sämtlicher Involvierter, dieser Übermacht an unbeantwortbaren Fragen mit verschiedenen aktiven Mitteln einer möglichen Bewältigung zu begegnen. Der eigentliche Duktus lösungssuchend und damit fast schon positiv besetzt angelegt ist. Die damit nochmals verstärkte Grenzenlosigkeit des Unwissens steigert sich damit wie von allein über die klare Kontur eines Einzelschicksals hinaus hin zu einer Universalität. Und damit wird diese Leere erst richtig, richtig unheimlich. Wow!“ P.S.

„Melanie Huber hat das Stück als Koproduktion mit dem Schauspielhaus Zürich inszeniert. Ihr Zugriff ist behutsam und musikalisch. (…) Sie hat dem Text drei Elemente hinzugefügt. Das erste: Die Frau wird von zwei Schauspielerinnen gespielt. Das funktioniert unglaublich gut. Sarah Gailer und Sarah Hostettler bleiben beide ganz bei sich und schaffen es doch, sich den Text so anzuverwandeln, dass man fühlt, dass sie ein und dieselbe Frau sind, die sich selbst ins Wort fällt, in der es immer diese Unsicherheit gibt, welche der Stimmen in ihrem Inneren denn nun die Wahrheit sagt. Es ist eine sehr schöne Art, diese gespaltene Figur fühlbar zu machen und von den beiden Darstellerinnen exzellent umgesetzt. (…) Der Mann, Nicolas Rosat, ist ebenfalls sehr glaubwürdig. Man fühlt den Druck unter dem er steht, er muss seine Frau dazu bringen, das Abgesprochene vor der Kommission zu sagen – er versucht vorsichtig, ihr die Ungereimtheiten auszutreiben. (…)
Die zweite schöne Idee ist, dass die beiden Frauen gemeinsam singen, wenn es um schöne Erinnerungen geht, in die die Frau mit ihrem anderen Selbst einstimmen kann. Manchmal singt auch der Mann mit. Es sind schräge, anrührende Melodien, komponiert von Martin von Allmen, alle drei singen wunderbar, Sarah Hostettlers Stimme ist besonders faszinierend. Die dritte Idee: Melanie Huber lässt die Frau während der ganzen Zeit einen Fahrradreifen flicken. (…)
Die ganze Vorstellung ist sehr ruhig, fast wie eine Meditation über die Lage dieser Frau, deren Gewissheiten zerfallen, der niemand mehr ihre Geschichten glaubt, nicht einmal sie selbst... Insgesamt ist es eine schöne, geschlossene Arbeit, man spürt eine grosse Harmonie zwischen den Darstellern, ein gemeinsames Erzählen und Befragen des Textes.“ Nachtkritik

„Ganz leise dagegen ist das dritte Stück: „Welches Jahr haben wir gerade?“ von der im Iran geborenen Autorin Afsane Ehsandar. Ein Mann und eine Frau, lost in migration. Sind sie zusammen, sind sie getrennt? Was ist ihre wahre Geschichte? Regisseurin Mélanie Huber inszeniert in ihrer Produktion fürs Schauspielhaus Zürich die Brüche und Leerstellen sehr klug mit. Eine kleine, reduzierte Produktion mit sehnsuchtsschönen Gesangspartien. Diese drei Frauen haben etwas zu erzählen und das tun sie mit bemerkenswerter sprachlicher Dringlichkeit.“ Berliner Morgenpost

„„Welches Jahr haben wir gerade?“ ist der sanfteste und rätselhafteste Text der Langen Nacht der Autorinnen. Ein Mann und zwei Frauen, dazu eine dritte vom Band, lassen in ihrem Gespräch nur in Ansätzen erfahren, was passiert ist. Die drei Frauen sind eigentlich eine: Sie doppeln einander, übergeben sich gegenseitig den Text. (…) Mélanie Huber hat den dichten Text für das Schauspielhaus Zürich als intimes Kammerspiel inszeniert.“ rbb Kultur

Mit Sarah Gailer, Sarah Hostettler, Nicolas Rosat, Isabelle Menke
Regie
Mélanie Huber
Stage Design and Costume
Marie-Luce Theis
Composition
Martin von Allmen
Arrangements of the song texts
Stephan Teuwissen
Dramaturgie
Karolin Trachte
Licht
Thomas Adam
Regieassistenz
Sonja Streifinger

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