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Faust 1–3

von Johann Wolfgang von Goethe

Pfauen

Premiere am 8. März 2012

Unterstützt von der Ars Rhenia Stiftung


Ein Faust, zwei Schauspieler, drei Teile – der dritte freilich nicht von Goethe, sondern von Elfriede Jelinek. Vorerst aber spielen sich die beiden Männer durch die klassischen Verse aus der Gelehrtentragödie und unternehmen kleine Ausflüge in den zweiten Teil. Sie wechseln die Rollen und hinterfragen die Sätze. Ihr Weg ist weit, ihr Anspruch unbescheiden: „Der ganze Kreis der Schöpfung“ will ausgemessen werden, es gehe „vom Himmel durch die Welt zur Hölle“. Faust, der verunsicherte Wissenschaftler, will erkennen, was die Welt „im Innersten zusammenhält“, sein Alter Ego Mephisto eröffnet ihm neue, ungeahnte Möglichkeiten. Die Reise gerät immer mehr zum rauschhaften Trip: Ineinander gehen Suizidversuch und Euphorie, wahnhafte Ideen, fleischliches Begehren und kriminelle Energie. Das weibliche Idol der Antike vor Augen sieht Faust die schöne Helena bald „in jedem Weibe“. Jetzt könnte Gretchen kommen und Fausts Tragödie könnte ihr zweites Gesicht zeigen: das der Liebe und der Zerstörung …

„Faust“, das bis heute meistgespielte deutsche Drama, stand am Schauspielhaus Zürich zuletzt 1957/58 auf dem Spielplan. In der Inszenierung durch den tschechischen Regisseur Dušan David Pařízek (zuletzt „Das Käthchen von Heilbronn“) meldet sich in Goethes Welt, wie eine störende Gästin, Elfriede Jelineks neuer Theatertext „FaustIn and out“ – ein „Sekundärdrama“ über Frauen in Kerkern.

„Pařízeks Zugriff auf Goethes Faust ist schlichtweg genial. Es gibt einfach nur Faust – den allerdings in doppelter Ausführung und in herausragender Besetzung. Edgar Selge und Frank Seppeler, eine jüngere und eine etwas in die Jahre gekommene Faust-Variante, spielen in und um ein riesiges Würfelgestänge aus 12 Holzbalken, das über die Rampe hinaus in den Zuschauerraum ragt. Sie umkreisen diese abgezirkelte Studierstube so, dass sich eine Figur mit zwei Stimmen und zwei Körpern materialisiert. Texte und Gedanken von Gottvater, Mephisto, Faust und Wagner switchen immer wieder von einem zum anderen, spielerisch, ironisch; Weltschmerz, Lebensgier, Erkenntnisdrang und Jugendwahn ohne Bedeutungshuberei sprachspielerisch gebrochen und auf unpathetische Weise entlarvt. Es ist, als hätte Pařízek Jelineks Assoziationen aus- und auflösende Text-Methode erfolgreich auf Goethe angewendet und in virtuose Sprachregie übertragen. Spricht der eine von den zwei Seelen, die in seiner Brust wohnen, wirft der andere das zum Zitat-Klischee gehörende „Ach!“ dazwischen, ironisiert jedwede bildungsbürgerliche Erwartungshaltung des Publikums und decovriert das ewige Selbstmitleid der Figur. Das Spiel mit dem Text führt zu einer erhellenden De-Montage, die Goethes Text so virtuos verlebendigt, dass er zu vibrieren anfängt und man tatsächlich in den Bann des Klassikers gerät.“ Deutschlandfunk


„Die spärlichen „Faust II“-Zitate muss man suchen in Dušan David Pařízeks knapp zweieinhalbstündiger Inszenierung – insofern ist „Faust 1–3“ eine Mogelpackung. Trotzdem wird der tschechische Regisseur, der an seinem eigenen Prager Theater schon Jelineks „Sportstück“ aufführte und in Zürich seine Gewieftheit im Umgang mit Klassikern bei Kleists „Käthchen von Heilbronn“ streckenweise fulminant zur Schau stellte, der vertrackten neuartigen Aufgabe mehr als gerecht.“ NZZ


„Unter der geradezu zauberhaft leichten, spielerischen Hand des tschechischen Regisseurs gerät der urdeutsche Perfektionismus eines nie zufriedenen Getriebenen ins Fahrwasser der Ironie. Und die tausendmal gehörten und zitierten geflügelten Verse des Meisters aus Weimar wirken – o kleines Theaterwunder – wie eben frisch geboren: dank eines hinreissend souveränen Edgar Selge und eines nervös lauernden Frank Seppeler, die sich im Smoking mit Fliege und Lackschuh (Kostüme: Kamila Polívková) tänzelnd in fliessend wechselnden Rollen die einschlägigen Monologe und Sprüche zuspielen, dass es die reine Freude ist. So lässig, kühl und unaufgeregt, so leise und so grandios nebenbei hat man das Faust’sche Ringen um Tod, Teufel und die letzten Fragen noch nie erlebt. Wenn Faust und Mephisto sich nach der Decke strecken, um eine einsam nach unten hängende Glühbirne in Gang zu setzen, könnten sie auch Beckett-Figuren sein. Und wenn Faust sich schwer depressiv den letalen Gifttrank einverleiben will und Seppeler dabei die grossen dunklen Augen rollt wie im Stummfilm, ertönt von unten herauf das Kirchenlied „Christ ist erstanden“ in einer Laut-Leise-Spezialversion von Selge: Minimalistischer und komischer lässt sich Fausts österliche Rückkehr ins Leben nicht inszenieren.“ Badische Zeitung


„Der intelligente Zusammenschnitt aus „Faust I und II“ beweist, wie modern Goethes Denken und Schreiben vor 200 Jahren war. Die Mono- und Dialoge gewinnen durch die Interpretation der „siamesischen Faust-Zwillinge“ eine durchaus heutige Dimension. Intellektuelles Pingpong auf höchstem Niveau. Geistreich und amüsant.“ Deutschlandradio Kultur


„In der goetheschen Oberwelt des Theaters bilden schlichte Holzstäbe einen Kubuskäfig, sogar die vom Regisseur ersonnene Bühne frönt der Minimal Art. Bei Selge und Seppeler scheint der doppelgestaltige Faust/Mephisto vorzüglich aufgehoben. Kluge Komik verbindet sich mit der makellosen Musik der Verse. Ein unvergessliches Gretchen ist die junge Sarah Hostettler, in ihrem Liebesverlangen buchstäblich hin- und hergerissen zwischen Männern, in denen auch der Teufel steckt. Grossartig die Todesszene im Verlies: Wenn Faust und Mephisto Gretchens wirre Sätze sprechen, die Sterbende wie eine weggeworfene Gliederpuppe bewegen, fasst uns der Menschheit ganzer Jammer an.“ Die Welt


„Es ist ein brillanter Dialog, brillant zusammengestellt und zusammengekürzt von Pařízek aus Goethe-Zitaten, aus Monologen, aus dem Faust aber auch aus anderen Klassikern, es ist eine Stunde brillante intellektuelle Spielerei.“ Deutschlandradio Kultur


„Den goetheschen Kosmos lediglich zwei Schauspielern anzuvertrauen, kann das aufgehen? Ja, doch. Regisseur und Bühnenbildner Dušan David Pařízek ist ein Meister der Reduktion. Des genauen Hinguckens. Und Hinhörens.“ sda


„Edgar Selge und Frank Seppeler treffen exakt den Ton, der Goethes Zitatekanon klingen und schweben lässt, ohne dass sich diese überragenden Akteure auch nur eine Clownerie versagen müssten.“ Aargauer Zeitung


„Ohne fixierte Rollen spielen sich Seppeler und Selge die Bälle zu, geniessen Zitat auf Zitat, erspielen sich ausgiebig die Prologe, im Himmel, auf dem Theater, greifen auch mal aus Versehen in Schillers Maximenkiste oder brillieren in zwei Monologen gleichzeitig. Pařízek bleibt dabei im Wesentlichen bei der Tragödie erstem Teil und beim Etablieren dessen, worauf Jelinek aufbaut, und wenn zwei, drei Mal Videoeinspielungen ihres Textes eingespielt sind, haben sie was von Gespensterbildern aus einer anderen Welt.“ Nachtkritik.de


„Alle Rollen aus „Faust 1“ werden von nur zwei Akteuren übernommen, die diese Rollen zudem regelmässig tauschen. Und was für Akteure! Frank Seppelers hinreissender Stiller (2010) ist in bester Erinnerung, und über den wunderbaren, wunderbar komischen Edgar Selge muss man ohnehin keine Worte verlieren. Bloss lachen und klatschen.“ Tages-Anzeiger


„Goethes Text kommt ohne Patina sehr heutig über die Rampe, nachdenklich und pointiert. Diese Zürcher Unternehmung ist kein Theateralltag, höchst anregend allemal.“ Salzburger Nachrichten


„Da drängt es aus dem Keller auf die Bühne, besetzt Goethes Verse und kann nur grimmig lachen über Fausts Hingabeschwärmen – die Gartenszene dann zwischen Faust und Gretchen ist ein langes quälendes Spiel von Anziehung und Abstossung, ein peinigendes Nichtgeben- und Nichtnehmenkönnen, es ist beeindruckend, wie Sarah Hostettler diese verzweifelte Polarität erspielt, auch in ihrem Punkrockausbruch „Meine Ruh ist hin“. Im Kerker dann ist sie bloss noch eine Marionette in Fausts Händen, er führt ihre leblosen Glieder, er spricht durch sie hindurch. Die Texte aus Jelineks Kellerkerker entwickeln im Faust-Kontext noch einmal ihre vampirische Energie, enthüllen ihre motivische Herkunft bei Goethe und wuchern weiter, überziehen die Gretchentragödie mit ihrem vergifteten Rankwerk. „Ziehen Sie bitte selbst den Mann von all dem jetzt hier ab", höhnt FaustIn am Schluss.“ Nachtkritik.de


„Sarah Hostettler, gebürtige Solothurnerin, ist hinreissend hin- und hergerissen zwischen Faust und Fritzl, Goethe und Jelinek, Selge und Seppeler. Zwischen Lust und Ekel. Diese Grete begehrt und darf das nicht.“ Aargauer Zeitung


„Alle fünf Darsteller interpretieren widerborstig und engagiert dieses schwierige Konglomerat, das am Donnerstag uraufgeführt wurde. So spannend und grossartig kann also Post-Dramatik sein!“ Die Presse

Mit Edgar Selge, Frank Seppeler, Franziska Walser, Miriam Maertens, Sarah Hostettler
Bühne
Dušan David Pařízek
Regie
Dušan David Pařízek
Kostüme
Kamila Polívková
Musik
Roman Zach
Dramaturgie
Roland Koberg
Bühnenbildassistenz
Barbara Pfyffer
Kostümassistenz
Ramona Müller
Inspizienz
Aleksandar Sascha Dinevski
Souffleuse
Rita von Horváth
Regieassistenz
Sophia Bodamer
Licht
Christoph Kunz
Bühnenbildhospitanz
Martina Lüscher
Regiehospitanz
Emilia Meincke

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