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Glückliche Tage

von Samuel Beckett

Schiffbau/Box

Premiere am 29. Oktober 2015


Winnie, die Frau, steckt bis zur Brust in einem Erdhaufen und droht tiefer und tiefer darin zu versinken. Sie hält an alltäglichen Tätigkeiten fest, die einst einen Sinn gehabt haben mögen, aber angesichts der völligen Auflösung von Winnie nur mehr die Funktion haben, sich die Zeit zu vertreiben. Ihr Mann Willie ist zum wortkargen schläfrigen Vierbeiner verkommen, der sich nur noch kriechend fortbewegen kann. Plötzlich wird er von einem Funken Erotik durchglüht und versucht, den Erdhaufen, der die Frau langsam verschlingt, zu besteigen. Im krassen Widerspruch zur äusserlich katastrophalen Situation erscheint die Frau doch als Inbegriff eines glücklichen Menschen, da sie sich über unscheinbarste Ereignisse freut und ihr Schicksal mit unbeirrbarem Optimismus belächelt. Wie die Personen in anderen Stücken von Samuel Beckett bestehen auch Winnie und Willie auf der Illusion des Wartens auf etwas nie Eintreffendes und überspielen in tragikomischer Hilflosigkeit ihren eigenen Verfall. Das 1961 in New York uraufgeführte Stück ist einer der visionärsten Theatertexte des 20. Jahrhunderts. Werner Düggelin, 1929 in Siebnen im Kanton Schwyz geboren, verbindet eine langjährige, intensive Beschäftigung mit Beckett. Düggelin lernte in den Fünfzigerjahren in Paris das Regiehandwerk, wo er Samuel Beckett persönlich kennenlernte. Er war massgeblich daran beteiligt, dass es 1954 zur Schweizerischen Erstaufführung von „Warten auf Godot“ in der Regie von Roger Blin kam. Ausserdem war er einer der ersten deutschsprachigen Regisseure, der Stücke von Samuel Beckett, Eugène Ionesco, Georges Schehadé, Albert Camus, Jean Genet und Paul Claudel in deutscher Sprache inszenierte. Werner Düggelin prägte von 1968 bis 1975 als Schauspieldirektor des Theater Basel die Schweizer Theaterlandschaft. Seitdem arbeitet er als freier Regisseur. 1995 erhielt er den Kulturpreis der Stadt Basel und im Juni 2014 den Kunstpreis der Stadt Zürich. Zuletzt waren am Schauspielhaus Zürich in seiner Regie Jon Fosses „Schönes“ und Molières „Der Bürger als Edelmann“ zu sehen.

„Der fast 86-jährige Werner Düggelin inszeniert in Zürich Samuel Becketts „Glückliche Tage“: Daraus werden 80 erfüllende Schauspiel-Minuten“ Aargauer Zeitung


„Werner Düggelin wollte es noch einmal wissen. Der Regisseur, dessen Karriere in den 1950er Jahren begann, als er bei der Pariser Uraufführung von Becketts „Warten auf Godot“ assistierte, hat vor geraumer Zeit seinen Abschied etwas vorschnell angekündigt. Jetzt feiert der 85-Jährige ein glorioses Comeback mit seinem erklärten Lieblingsdramatiker. „Glückliche Tage“: Zwei Akte, zwei Personen; eine Liebesgeschichte und die Condition humaine, deren Unausweichlichkeit der inszenierende Minimalist mit feinem Witz alle vorstellbaren Nuancen abgewinnt.“ NZZ


„Und also, fast zwangsläufig, mit Beckett, seinem „Glückliche Tage“ ist Werner Düggelin jetzt auf der Studio-Bühne im Schiffbau des Schauspielhauses Zürich wiedergekommen, anlässlich der Premiere vom Publikum gefeiert mit Ovationen, die nicht aufhören wollten.“ Frankfurter Rundschau


„Es ist eine Win-win-Situation. Der Altmeister Werner Düggelin inszeniert in der Box des Zürcher Schiffbaus Samuel Becketts „Glückliche Tage“.“ Der Landbote


„Becketts Text ist, in grösster Einfachheit und Symmetrie, eine abgezirkelte Wort-Choreografie und mit seinen schier unendlichen Regieanweisungen auch eine akribisch auskomponierte Theater-Partitur. Werner Düggelin überführt sie in eine präzise Geometrie der Beklemmung und der Entspannung. Das ist ein kleines Lehrstück des mittlerweile 86jährigen Regie-Meisters – und (er hatte sich ja schon einmal in den Ruhestand verabschiedet) am Ende womöglich auch so etwas wie ein mildes künstlerisches Resümee. Vor dem Horizont der Bühne auf der Bühne und aus den Brocken heraus, die aus dem Theaterraum selber gehauen sind, bekommt Winnies glückliches Tun jedenfalls auch die Anmutung einer Metapher: als Bild für die ewigen vergnügten Anstrengungen des Theaterspiels.“ Nachtkritik.de


„Der Basler Regisseur Werner Düggelin hat in seinem Leben viele Anläufe genommen, Beckett zu ergründen. Er geniesst den Humor in Becketts Text, aber den Pointen geht er nie auf den Leim. Gewiss, man kichert mal hier, mal dort – bisweilen sogar wenn gar nichts gesagt wird. Düggelin ist nämlich ein Pausenkünstler: Er schafft es, leise Töne und nichtige Worte aus der Stille hinaus mächtig werden zu lassen. Dank dieser Zauberei kann Becketts Text zu atmen beginnen, seinen Rhythmus finden. Beginnt „es“ vorne auf der Bühne zu sprechen, entwickelt Düggelin durch die Schauspielerin Imogen Kogge einen nie endenden Sprachgesang. Der fast 86-Jährige beherrscht diese Kunst so gut, dass man diesem Un-Sinn lauscht, als würden da feuerspeiende Shakespeare-Dialoge geboten.“ Basellandschaftliche Zeitung


„Altmeister Werner Düggelin (86), der sich schon einmal in den Ruhestand verabschiedet hatte, kann die Regiearbeit nicht lassen. In der Schiffbau-Box des Zürcher Schauspielhauses zeigt er eine streng choreografierte, jedoch vergnüglich-entspannte Inszenierung vom unausweichlichen Ende von Winnie und Willie. Grau in Grau ist die Bühne gestaltet, Winnie steckt in einem Schutthaufen, herausgebrochen aus der dahinter stehenden Betonwand (Bühnenbild: Raimund Bauer).“ seniorweb.ch


„Kogge spielt mit ihren Sätzen, beherrscht das Crescendieren, dieses sanfte Lauterwerden, meistert das Accelerando, das wohlüberlegte Schnellerwerden, jongliert die Silben, färbt sie mal hell, mal dunkel – mal etwas rosarot, mal zärtlich, mal unsicher hoffnungsvoll. Und so sinkt sie ein in den Text – und mit ihr der Zuschauer. Wenn Kogge/Winnie dann plötzlich ein „Und nun?“ in den Saal spricht, damit eine Antwort fordert, erschrickt man ob sich selbst, hält inne und fragt: Ja was denn nun? All das geschieht, obwohl da eine gewisse Winnie bis über die Hüften in einem Schutthügel eingegraben ist – später gar bis zum Hals: Dort macht sie vorerst nicht mehr als in ihrer Handtasche zu wühlen und mit sich zu reden – bisweilen auch mit ihrem Mann Willie, der für sie unsichtbar hinter ihr haust (Ludwig Boettger ist selbst in seiner Nicht-Präsenz stark).“ Solothurner Zeitung


„Imogen Kogge, die am Theater schon mit Regisseuren wie Bondy, Stein, Grüber gearbeitet hat, im Fernsehen weithin bekannt wurde als Kommissarin Johanna Herz, gewinnt der Winnie eine vitale Dringlichkeit, die sich herleitet aus der Bedeutung, die jeder Augenblick für ihr Reden hat. So gewinnt sie sich, wieder und wieder, als die Person, die sie einmal gewesen ist. Im zweiten Akt, nun ist nur noch ihr Kopf frei, wird der Redefluss stockender, brüchiger. Leerstellen, Lücken im Erinnerten. Fortschreitender Selbstverlust. Auch hier noch bleibt jedoch diese Winnie, wie Düggelin sie begreift und die Schauspielerin sie gibt, unverstellt (und unsentimental) konzentriert auf jeden Moment, den sie erinnert. Oder voraussieht – schließlich ist auch die Ewigkeit nur ein Augenblick.“ Frankfurter Rundschau


„Imogen Kogge ist eine Winnie von lakonischer Sachlichkeit. Sie behaucht ihre Brillengläser, wischt sie am mauve-geblümten Schürzenkleid sauber, im ersten Akt, als sie den Oberleib noch bewegen kann. Mit munterer Gefasstheit kramt sie im Sack und ihren Erinnerungen, amüsiert sich mit den kleinen Dingen ihres staubigen Alltags und der Naturgesetze. Sie findet geradezu drollige Momente, wenn sie sich mit der schnurrenden Zufriedenheit einer satten Katze einhämmert, dass alles doch „eben so wundervoll“ ist. Mit inniger Befriedigung versichert sie sich der ewig wiederkehrenden Wiederholungen und des „alten Stils“. Sie vergewissert sich ihrer Existenz im Schminkspiegel und in der Spiegelung ihres widerborstigen Willie, den Ludwig Boettger mit aufreizender Unterschwelligkeit anlegt. Und unversehens driftet sie ab, entgleist, bleibt hängen an einem unbestimmten Punkt in der Beckett'schen Unendlichkeitswüste. Sie verliert sich – und fasst sich abermals, findet aufs Neue zurück in ihre Grundhaltung von spielerischer Verbindlichkeit.“ Nachtkritik.de


„Hauptdarstellerin Imogen Kogge brilliert im gewaltigen Monolog der Winnie. Sie gibt dem hadernden Selbstgespräch einer verlorenen Frau im gemusterten Kleid trotz lakonischer Sachlichkeit viele Nuancen und ihrer Figur eine Würde, die sie erst zur tragischen Figur macht. Und sorgt in einzelnen Momenten für etwas Heiterkeit, etwa, wenn sie die Schrift auf der Zahnbürste „ voll garantierte … echte, reine … Barchborsten“ zu entziffern versucht. Ludwig Boettgers Willie ist ein meist abwesender, wenig verlässlicher, verschmitzter Partner, und wenn er sich zeigt, dann meist auf allen Vieren kriechend. Erst zum Schluss präsentiert er sich in voller Person mit Zylinder, um schliesslich entkräftet zusammen zu brechen.“ seniorweb.ch


„Imogen Kogge spielt diese Winnie. In der Regie von Werner Düggelin kann sie ganz bei sich sein. „Dieser Text muss dein Text sein, nicht etwas, was du produzierst“, hat er ihr während der Proben gesagt. Und Imogen Kogge spricht diese Winnie ganz aus sich hinaus, dass sich alles in ihrem Tonfall verbindet, was eigentlich ein Widerspruch ist: Auf der einen Seite ist ein Leben, das zunehmend prekär wird, auf der anderen das Festhalten an der Vorstellung von Glück. Manchmal lächelt Imogen Kogge. Manchmal lächelt sie nicht. An ihrer Seite: Ludwig Boettger, der Willie spielt. Von ihm sind am Anfang nur der Kopf und die Hand zu sehen (aber was für ein Kopf, was für eine Hand), mehr ist dieser Mann nicht. Wenn die Frau quasselt, liest er nur die Zeitung – Szenen einer Ehe à la Beckett. Im zweiten Akt werden die Hand und der Kopf wieder zum Körper, mit der ganzen Kraft zieht der Mann sich zu Winnie hoch und rutscht dann wieder – Wumm! – an den Fuss des Hügels zurück. Dann singt die Frau ganz leise ein Lied, das von der Liebe spricht. Lange Pause. Denn wird alles dunkel. Grosser Applaus.“ Zürichsee-Zeitung


„Grandios, wie Imogen Kogge diese Winnie spielt, wie sie sie zwischen Glückseligkeit und Melancholie, zwischen träumerischer Sehnsucht und vernünftigem Fatalismus pendeln lässt. Kriechendes sterbendes Tier Munter quasselt Winnie, derweil ihr Mann Willie (Ludwig Boettger), obwohl von ihr immer wieder angefeuert, beinahe wortlos bleibt. „Armer Willie – geht zu Ende - na ja - nicht zu ändern“, kommentiert Winnie.“ Neue Luzerner Zeitung


„Falls jemand vor einem Jahr gehört haben sollte, dass Werner Düggelin seinen Wecker nicht mehr stellen wolle, nie mehr inszenieren werde, muss er Beckett genauer lesen. Dann versteht man, warum Sisyphos glücklich ist, wenn er den Stein täglich auf den Berg schieben und wieder zusehen muss, wie er den Hang runter saust. Und so schauen wir denn ihm, dem Theater-Sisyphos Düggelin, bei seiner Regiearbeit weiterhin voller Bewunderung zu.“ Aargauer Zeitung


„Becketts Werke sind nicht bedrückend, weil sie vom Leiden nach der Katastrophe erzählen. Es geht nicht um das, was geschah, sondern um das, was ist, was wir Leben nennen. Und dieses Leben ist beklemmend, weil sie dem modernen Menschen die eigene Bedeutungslosigkeit vor Augen führt. Düggelin hat diese Bedeutungslosigkeit entspannt-locker, ohne moralisierenden Tiefgang auf die Bühne gebracht. Dafür und für die beiden Schauspieler gab‘s am Premierenabend grossen Beifall.“ seniorweb.ch


„Ein Comeback mit „Glückliche Tage“: Meisterhaft setzt der 85-jährige Regisseur das Zweipersonenstück in Szene. Winnie und Willie zeigt er als ideales Paar. Liegt der Sinn des Lebens im Theater?“ NZZ

Mit Imogen  Kogge, Ludwig Boettger
Regie
Werner Düggelin
Bühne und Kostüme
Raimund Bauer
Licht
Markus Keusch
Dramaturgie
Irina Müller
Regieassistenz
Sophia Bodamer
Kostümassistenz
Selina Tholl
Bühnenbildassistenz
Dominik Freynschlag
Souffleuse
Rita von Horváth
Inspizienz
Ralf Fuhrmann

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