Zu diesem Abend

Auf einer abgelegenen und nur von Wasser umgebenen Insel erzählt Der Sturm von der Liebe des Menschen zur Kunst. Aber auch: von der Liebe zur Macht. In einer Adaption ihrer langjährigen Kollaborateurin und Autorin Sophia Al-Maria entführen Moved by the Motion uns in eine nahe Zukunft, in der der Meeresspiegel, bis zur Spitze der Schweizer Alpen angestiegen, einen apokalyptischen Pegel erreicht hat und die wenigen Verbliebenen mit ihrem Menschsein konfrontiert sind: Was tun wir, wenn alles zu einem Ende kommt? Bitten wir um Vergebung in der Hoffnung auf Veränderung? Versuchen wir, bis zuletzt die uns umgebende Welt mittels all unserer kreativen Kräfte zu formen? Wählen wir Güte, Rache, oder machen wir einfach weiter bis zum Ende?

Mit William Shakespeares Der Sturm inszeniert die Gruppe Moved by the Motion um die Künstler*innen Wu Tsang, Tosh Basco, Josh Johnson und Asma Maroof erstmals einen Klassiker des Theaterkanons am Schauspielhaus Zürich. Behutsam und mit Liebe zum Original verweben sie, gemeinsam mit dem Ensemble und in Kollaboration mit verschiedenen KI Technologien, Shakespeares Klassiker mit Elementen aus Science-Fiction, Satire und dem magischen Akt des Theaters selbst.

Es ist vermutlich William Shakespeares letztes Stück, ein letzter Akt und Abschied des Dramatikers von der Bühne, bevor er für immer aus der Öffentlichkeit verschwindet. Die Hauptfigur Prospero, ein Zauberer im Exil, wird als Symbol für Shakespeare selbst gesehen.

Artistic Direction
Moved by the Motion
Inszenierung
Wu Tsang
Movement Direction
Tosh Basco
Choreografie
Josh Johnson
Musikalische Leitung
Asma Maroof
Musik
Tapiwa Svosve / Miao Zhao / Ahya Simone
Text / Fassung
Sophia Al-Maria
Bühnenbild
Nicole Hoesli / Nina Mader
Kostümbild
Kyle Luu
A.I. Video Design
Pierre Zandrowicz
Maske
Sara Mathiasson
Licht
Christoph Kunz
Dramaturgie
Helena Eckert
Alle Beteiligten anzeigen
Audience Development
Rona Schauwecker
Touring & International Relations
Björn Pätz
Produktionsassistenz
Mahlia Theismann
Bühnenbildassistenz
Lenki Behm
Kostümbildassistenz
Anna Toni Vyshnyakova
Produktionshospitanz
Till Kadler
Dramaturgiehospitanz
Emilia Wehrli
Inspizienz
Eva Willenegger
Soufflage
János Stefan Buchwardt
Sprechcoach
Julia Kiesler
Übertitel Einrichtung
Agnieszka Fietz (Panthea)
Übertitel Fahrer*innen
Josephine Scheibe / Isabelle Koch / Victoria Engler
Weniger Beteiligte anzeigen

Unterstützt vom Förder Circle des Schauspielhaus Zürich.


Deutsche Bühnenfassung von Gerhild Steinbuch unter Verwendung folgender Übersetzungen:
Gabriele Groenewold (Aufführungsrechte Rowohlt Theater Verlag, Hamburg), Frank Günther (Aufführungsrechte Verlag Hartmann&Stauffacher, Köln), Erich Fried (Aufführungsrechte Verlag Felix Bloch Erben, Berlin)
Lektorat Übersetzung Tizian Rupp.


Für die Übertitel wurde Shakespeares Originaltext verwendet und an die Bühnenfassung angepasst.
 

Detailierte Besetzung

Yèinou Avognon
(Miranda – Prosperos Tochter)
Marie Goyette
(Antonia – Aufständische Herzogin von Milan-X, der die Fusion mit Napple einfädelte)
Tabita Johannes
(Ariel – ein KI-Geist)
Kay Kysela
(Sebastian – Bruder von Alonso, dem König von Napple)
Sasha Melroch
(Ferdinand – Sohn des Königs von Napple)
Maximilian Reichert
(Gonzalo – ein ehrlicher alter Berater)
Sebastian Rudolph
(Prospero – der im Exil lebende Herzog von Milan-X, Gründer eines bahnbrechenden KI-Unternehmens)
Steven Sowah
(Alonso – König von Napple)
Thomas Wodianka
(Caliban – ursprünglicher Bewohner der Insel, versklavt durch Prosperos Technologie)

'Shapes' holografischer e-girl-Chor
Sycorax die blauäugige Hexe aus Algier, Calibans Mutter, die Quelle der Geschichte

Zu dieser Inszenierung

Von Sophia Al-Maria

Was macht Shakespeare auf ewig relevant? Wie alle grossen Texte laden auch die Geschichten von Shakespeare zu Adaption und Übersetzung ein. Ist das Stück noch «das Richtige», wenn wir nichts Neues damit machen?

In unserer Version haben Konzerne Länder ersetzt, die soziale Ordnung ist kollabiert und die Reichen sind auf ihre «Inseln» in den überfluteten Schweizer Alpen geflohen, Prosperos «Zelle» ist ein Milliardärsbunker und seine «Magie» besteht hauptsächlich aus der Überwachung der Insel…

«Geister» wie Ariel werden zu einer Analogie für K.I. Der einzige ursprüngliche Bewohner der Insel ist Caliban, ein überflüssiges Programm / Programmierer, das alle Codes für Prosperos Zelle kennt und Prospero beigebracht hat, wie man auf der Insel überlebt.

Auch wenn wir als unseren dramaturgischen Zugriff die Cli-Fi Techno-Pokalypse gewählt haben, war es uns wichtig, die fundierte und wichtige Arbeit postkolonialer Autor*innen miteinzubeziehen. In Der Sturm wird Calibans Mutter Sycorax als «die blauäugige Hexe aus Algier» beschrieben.

Im Original heisst es ausdrücklich, dass diese unsichtbare und allmächtige Mutterhexe die «erste» Bewohnerin der Insel war. Das Spannungsfeld zwischen ihrer wilden, älteren Zauberkraft und Prosperos zieht sich durch die ganze Geschichte. Und obwohl sie das Stück durchdringt, hat Shakespeare ihr weder eine Rolle noch eine Stimme gegeben.

Als Hommage an postkoloniale Lesarten des Stückes erhält Sycorax einen Monolog, als Prolog und Kontext für diese Fassung. Weil es sehr schwierig ist, einen Monolog als fünfhebiger Jambus zu schreiben und es sich respektlos anfühlte, aus einer historisch unterdrückten und ausgelöschten Perspektive zu sprechen, für die Sycorax steht, greifen wir auf einen «Geist» zurück, der uns die Arbeit abnimmt: ChatGPT.

Die Aufforderung lautete in etwa wie folgt:
«Write Prologue for The Tempest telling the history of computer programming narrated by Sycorax the witch from Algier analogue for Syntax the code from Algol mother of C language analogue for Caliban in iambic pentameter.»

Während die Entwicklung und Kontrolle von K.I zum Gesprächsthema wird, ist Ariels Wunsch nach Freiheit ebenso wahr wie Prosperos letzter Wunsch befreit zu werden, von uns, dem Publikum, das als stille Zeug*innen den Fantasien und Romanzen der Zukunft und der Tragikomödie der Menschheitsgeschichte folgt.

Sycorax Geschichte

Seht! Oh, ihr sanften Seelen. Hört mich an.
Hört Sycorax, mit ihrer Zunge weiss
Sie die Geschichte auszurichten in
Morbider Symmetrie. Ich stamm’ aus einem
fernen Reich, wo Algiers Zauberkunst meiner
codierten Zunge war eine gar glänzend
Mutterstatt. Von dort erhob ich mich, des
Programmierers Unternehmung anzuleiten.

Die digitale See, wo die Geschichte ihren Anfang
Nimmt, ist Hort des Muttercodes Zauberkunst
Wie Ehrgeiz. Prosp’ros Ruhm, einst Herzog von MilanX,
Vertrieben von der Feinde Hand, stolz
Tragen sie die Krone nun, im Reiche
Napple, ihrem Königreich, wo wie ein
Traum der immer anfängt, niemals
Endet, die unternehmerische Macht
die man die ihre nennt, heller als alles
andre strahlt. Prospero floh mit seiner
Tochter, diese hiess Miranda, an den Inselkamm,
der aus den Fluten ragte, ein verborg´nes Nest.
Schöne neue Welt, die sich an Algorithmen nährt
die Codes, Geheimes, birgt in ihrem
Dunkel. Sycorax, der Muttercode,
War Quelle Prosp’ros Zauberkraft, verborgne
Macht, die in sich seine ganze Stärke
Bannte. Caliban jedoch, selbst
Der originäre Code, war Sklave hier,
Auf diesen Felsenzacken, gegen die
Die Brandung toste. Hier lag er, Caliban,
einst frei, in Prosp’ros digitalen Ketten.
Miranda stand ihm treu zur Seite. Sie,
Die klar in Geist und Wissen, war sich selbst
Lehrmeisterin, lehrte sich die Kunst des Codens.
Sie beide waren es, die der Magie
Auf dieser Insel ein Zuhause gaben
Und nannten die Magie fortan nun Ariel,
Erfindung, zu erforschendes Geschöpf,
Ariel, ungestümer, wilder Geist, ein
Freies Kind der Lüfte, das sich nie
Und nimmer zähmen liess.
Und Caliban, dem dieser Code die einz´ge
Sprache, Mutterzunge, ersehnte seine
Freiheit, seine Fesseln abzulegen.
Prospero aber, mächt’ger Herrscher,
Mit seinen digitalen Schergen waltete
Er über die Geheimnisse der Insel.

Eine Geschichte also, die vom Sturm
Erzählt, der tobt in Code und digitalen
Sphären, tost in Versen, Jamben, und in
Angemess’ner Anmut. Von Shakespeare ist der Plot,
Aber die Wendungen darin modern,
In Bits und Bytes erkennen wir, was
Zeitlos war und zeitlos bleibt.

Lasst uns diese Geschichte, traurig wie
Sie ist für alle, die nach Code und Macht
Nur streben Warnung sein, dass sie sich hüten
Vor den rachsücht’gen Seelen, für die sie
Nichts als Beute sind. Sie täten gut daran,
Die Freiheit als Geschenk zu schätzen, ist
Sie als einziges Geschenk doch wahr und recht.
So spreche ich, aus einem Reich das weit entfernt
Von diesem liegt, eine Geschichte, die
Sich weiterschreibt, im Code, die weiterlebt,
Die bleibt.

Impressum

Redaktion: Helena Eckert
Fotografie: Inès Manai

Spielzeit 2023/24
Intendanz: Benjamin von Blomberg / Nicolas Stemann

Offizielle Ausstatter des Schauspielhauses Zürich:
MAC Cosmetics, Optiker Zwicker, Ricola, Südhang Weine, Tarzan Swiss Streetfashion