Ein Mann und eine Gruppe von Kristallklötzen

von Michael Fehr
erschienen am 21. Januar 2020

Michael Fehr über das Verlorensein, Wetter und das Sterben

ein mann bewohnt ein fast schwarzes zimmer auch die möbel sind fast schwarz beschaffen das zimmer wirkt altertümlich aber nicht ungemütlich irgendwo liegt eine gefaltete weinrote häkeldecke

von draussen naht ein geräusch das klingt wie klipp und klapp und pock und tock vor der tür des zimmers kommt das geräusch zum stillstand

der mann geht die paar schritte durch sein zimmer um nachzusehen was es gibt er öffnet die fast schwarze tür

herein kommen kristallklötze

es sind etwas in die länge gezogene und etwas platt gedrückte kristallklötze die sich bewegen indem sie auf eine ihrer seiten fallen und sich dann wieder aufrichten um auf einer anderen ihrer seiten zum stehen zu kommen sie sind eine kleine gruppe sie bewegen sich als gruppe ins zimmer herein wobei das geräusch entsteht das wie klipp und klapp und pock und tock klingt

der mann schliesst die tür und betrachtet die kristallklötze genauer er kann nun ausmachen dass innerhalb der klötze ein wetter herrscht und zwar ist es bewölkt hellgrau es regnet nicht es gibt keine schatten es ist einfach gleichmässiges hellgrau bewölktes wetter

«mir scheint dass ihr zu mir wollt»

«das ist richtig wir haben uns nicht in der tür geirrt»

«und was wollt ihr braucht ihr hilfe»

«nein wir sind der himmel»

«ich habe mir immer gedacht dass der tod zum beispiel kommt wenn ein altes dreimastiges segelschiff auf scheinbar giftgrünem wasser dümpelt und die mannschaft des segelschiffs das grün wohl als leuchten wahrnimmt aber dabei nicht erkennt dass sich das segelschiff über dem riesigen auge eines noch viel unermesslich riesigeren tintenfischs aufhält der aus der tiefe aufgetaucht ist um sich die beute von nahem zu besehen und sich dann so verdreht dass für die mannschaft das grüne leuchten wieder verschwindet dafür aber das wasser eine dunkle färbung annimmt ohne dass die mannschaft merkt dass nun der schlund des tintenfisches sich unter dem schiff bereit macht wonach der tintenfisch seine arme in die luft schleudert um das schiff herum greift und es in seinen schlund hinein saugt so dass alles grässlich zerfetzt und zerbricht und alle sterben»

«wie der tod kommt wissen wir nicht wir hatten noch nicht die gelegenheit ihn von angesicht zu angesicht zu treffen aber der himmel kommt in form von kristallklötzen in denen hellgraues wetter herrscht und diese klötze sind wir»

«heisst das dass ihr mich mitnehmt»

«ja du musst mitkommen wenn es dinge gibt die du gern mitnehmen möchtest dann solltest du sie zusammensuchen weil umkehren kannst du nachher nicht mehr»

«ich dachte mir aber immer dass man nichts mitnehmen darf wenn man stirbt»

«wo denkst du hin so wollen wir doch nicht sein selbstverständlich darfst alles mitnehmen was du möchtest»

«dann nehme ich diese weinrote häkeldecke mit sie hat einen ganz besonders verzierten rand seht ihr überhaupt hat sie eine ganz besondere machart und dann nehme ich vielleicht noch ein wenig münzgeld mit»

die klötze beschauen sich spürbar mit grosser zuneigung die häkeldecke dann wenden sie sich wieder dem mann zu

«aber wozu willst du geld mitnehmen im himmel brauchst kein geld»

«dann lasse ich das geld hier»

«willst du nicht auch noch schuhe anziehen dann hast du hosen hemd schuhe und eine decke»

«doch schwarze schuhe ziehe ich an aber sonst wüsste ich eigentlich nicht was ich noch bräuchte wir könnten eigentlich gehen»

der mann zieht schwarze schuhe an öffnet die tür

die klötze bewegen sich einige aus der gruppe verlassen das zimmer vor dem mann dann geht der mann hinaus und einige verlassen das zimmer nach ihm

die klötze fallen und stehen auf und zeigen blankes hellgraues wetter wobei durch ihre bewegungen das geräusch entsteht das klingt wie klipp und klapp und pock und tock