Haptic Entanglements 2
THE BODY IS NOT AN OBJECT
Einladung zu einer verkörperten Praxis von Konsens

Künstler*in Joy Mariama Smith lädt in Texten, Fragen und Übungen dazu ein, sich einer verkörperten Praxis von Kosens anzunähern, die gemeinsames Empfinden zum Ausgangspunkt nimmt und Konsens weniger als Vertrag, sondern als komplexes Beziehungsgeflecht begreift.


von Joy Mariama Smith
erschienen am 21. September 2021

Glossar

Zugang — etwas, mit dem sich die Angehörigen der nicht-dominanten Kultur auseinandersetzen müssen; verbunden mit Macht und Privilegien, mit Unterdrückung und kolonialer Geschichte.

Verantwortlichkeit¹ — funktioniert am besten in Gemeinschaft; kommt in Räumen vor, die frei sind von Scham und Vorwurf.

Handlungsmacht — notwendig in allen Lernumgebungen; grundlegend; hilfreiches Instrument wesentlicher Bestandteil einer gesunden Praxis des „Nein“.

Check-inein Prozess eine Praxis, die ich in jeder von mir angeleiteten Situation durchführe, um herauszufinden, welche Art von Raum ich halten muss, und welche Befindlichkeiten im Raum anwesend sind.

Empathie — den / die andere(n) fühlen spüren. Tatsächlich. Stärkt emotionale Intelligenz.

Positionalität — benennen, wo ich bin, um mein eigenes Narrativ zu kontrollieren; etwas, was mir dabei hilft, durch unterschiedliche eine Vielzahl von Kontexten zu navigieren; das „Kryptonit“ von Projektionen.

Vertrauen — die Geschwindigkeit, mit der wir uns fortbewegen.

Kultur weisser Vorherrschaft — der Kontext, in dem wir uns befinden.


Fragen

1. Wie definierst und verstehst du persönlich Konsens?

2. Hattest du schon einmal ein Gespräch über Konsens im Kontext von Theater und Performance?

3. Gibt es ein Verhältnis zwischen der eigenen Kultur und / oder dem gegenwärtigen Kontext und dem eigenen Verständnis von Konsens?

4. Hast du bereits mit Personen gearbeitet, die Konsens anders definieren als du?

5. Verstehst du Konsens auf die gleiche Weise, wenn du Performer*in bist, oder Teil des Publikums, oder Regisseur*in, oder Produzent*in?



Autonomous touch - warm up

1. Finde eine bequeme Position — sitzend, stehend oder liegend. Nimm dir einen Moment, um zur Ruhe zu kommen. Positioniere beide Hände auf deinem Bauch oder deinen Knien. Lass sie dort ruhen. Nimm 3-5 tiefe Atemzüge.

2. Atme weiter tief ein und aus und bringe deine Aufmerksamkeit zu deinen Händen. Fokussiere dich gleichzeitig auf den Ort, wo deine Hände deinen Körper berühren, und wo dein Körper deine Hände berührt (wenn möglich, sollte das dein Bauch oder deine Knie sein).

3. Atme weiter bewusst ein und aus.

4. Bewege deine beiden Hände zum Brustbein oder zum Brustkorb und lass sie dort ruhen. Sei dir bewusst, dass sobald deine Hände deinen Brustkorb berühren, auch dein Brustkorb deine Hände berührt. Wie fühlt sich das an? Entstehen dadurch irgendwelche Gedanken, Emotionen oder Empfindungen? Wann wurdest du dort das letzte Mal berührt?

5. Atme bewusst ein und aus.

6. Verschränke beide Hände hinter deinem Nacken. Stelle fest, wie dein Nacken deine Hände berührt und deine Hände deinen Nacken. Wie fühlt sich das an? Entstehen dadurch irgendwelche Gedanken, Emotionen oder Empfindungen? Wann wurdest du dort das letzte Mal berührt?

7. Atme weiter bewusst ein und aus.

8. Entspanne deinen Kiefer deinen Nacken.

9. Bedecke dein Gesicht mit deinen Händen. Übe soviel Druck aus, wie für dich angenehm ist. Erkenne an, dass sobald deine Hände dein Gesicht berühren, auch dein Gesicht deine Hände berührt. Tauchen dadurch irgendwelche Gedanken, Emotionen oder Empfindungen auf? Wie fühlt sich das an? Wann wurdest du dort das letzte Mal berührt?

10. Atme bewusst weiter ein und aus und berühre in der folgenden Sequenz (oder einer Sequenz nach deinem Belieben) weitere Körperteile. Werde dir der Gegenseitigkeit von Berührung bewusst. Während du die Sequenz durchläufst, führe eine Art „Selbstinventur“ basierend auf folgenden Fragen durch: Tauchen dadurch irgendwelche Gedanken, Emotionen oder Empfindungen auf? Wie fühlt sich das an? Wann wurdest du dort das letzte Mal berührt? Vergiss nicht, bewusst zu atmen. Hier ist der Ablauf der vorgeschlagene Sequenz: Scheitel, Ellbogen, seitlicher Rumpf (am unteren Ende des Brustkorbs), unterer Rücken, Steißbein und Schambein, Genitalien, Oberschenkel, Kniekehlen, Waden, Knöchel, Füße (Oberseite oder Sohlen).

11. Nachdem du das letzte Körperteil der Sequenz berührt hast und von ihm berührt wurdest, verschränke deine Hände und -Finger. Atme zum Abschluss 3-5x tief ein und aus.

12. Beobachte, wie du dich fühlst (emotional, körperlich und anderweitig) und reflektiere deine Erfahrungen.

Check-in: Hi, ich freue mich, dass du hier bist. Wie fühlst du dich — emotional, körperlich, energetisch, anderweitig? Was brauchst du, um dich gut, angenehm zu fühlen wirklich zu SPÜREN? Danke, dass du mit dabei bist, dass du erschienen bist. Ich weiß das zu schätzen, und ich denke, ich / wir³ können viel von diesem Austausch lernen. Ich werde dich später wieder fragen, wie du dich fühlst. Du kannst das Lesen jederzeit pausieren und wieder aufnehmen.

Einladung: Ich möchte dich dazu einladen, diesen Text nicht chronologisch zu lesen, sondern in einer Abfolge, die du selbst festlegst. Du kannst den Text auch als Gelegenheit nutzen, free reading⁴ zu üben: Überfliege den Text und schau, was dabei auftaucht. Behandle den Text wie eine*n Tanzpartner*in, betrachte ihn als responsiv, als etwas Lebendiges, Atmendes. Schweife ab und vertrau dir dabei, schätze die Verknüpfungen, die du dabei anfertigst, spiele mit dem Text und sei offen für nicht-dominante Weisen der Wissens-Kultivierung.

Positionalität: Ich möchte dich wissen lassen, aus welcher Perspektive Position ich diesen Text schreibe. Zum Einstieg möchte ich dir sagen, dass ich gerade zu Hause an meinem Schreibtisch sitze, und dass an diesem Tag die Sonne scheint. Ich lebe in europa. Ich wurde Mitte der 70er geboren, und ich bin Schwarz, bzw. eine person of color Indigener- und Afrikanisch-Diasporischer Abstammung. Ich bin mit einem alleinerziehenden Elternteil aufgewachsen, und ich bin Waise. Ich bin Einzelkind, und ich bin amerikaner*in. Ich bin expat und lebe seit insgesamt acht Jahren in europa. Meine Mutter war Englischlehrerin. Ich bin nicht-binär / agender, demisexuell und queer. Ich habe sexuelle Gewalt überlebt. Ich verstehe mich als sanfte Aktivist*in. Mein Sternzeichen ist Krebs, und mein Aszendent ist Löwe, wobei letzteres spekulativ ist, da ich nicht weiß, zu welcher Uhrzeit ich geboren wurde. Ich komme auch aus dem Nordöstlichen Teil der vereinigten staaten. Meine Muttersprache ist englisch, früher konnte ich fließend Französisch sprechen. Ich verstehe ein wenig Niederländisch, Deutsch und Spanisch und spreche es sogar gut genug, um mein veganes Essen zu bestellen (sprich: ich bin Veganer*in). Ich habe eine Behinderung, die nicht sichtbar, aber sehr präsent ist (sprich: chronische Schmerzen). Ich komme aus einer armen Familie, die zur „Arbeiter*innen-Klasse“ gehört. Ich bin polyamourös und kinky. Ich bin Freelancer*in…

Was ist, nach alldem, deine Position im Verhältnis zu meiner?

Auf diese Weise können wir beginnen, in Beziehung zu treten.

Verfügst du in diesem Moment über Handlungsmacht? Wodurch kannst du das feststellen? Wie fühlst du dich? Auf welche Weisen performst du? Kann Sehen / Beobachten / Schauen eine Handlung radikaler Fürsorge sein? Gibt es genug Raum für Empathie?


What are we training for?

Als ich zur Künstler*in / Performer*in ausgebildet wurde (was eine gewisse Ähnlichkeit zum Training eine*r*s Sportler*in*s hat), wurde mir beigebracht, dass meine Rolle als Künstler*in darin besteht, die Grenzen der Menschen zu verschieben, oder sie sogar, der Kunst zuliebe, zu überschreiten. Das hat sich in meine Ausbildung als Zuschauer*in übersetzt. Meine Ausbildung als Zuschauer*in bestand darin, Arbeiten anzuschauen und meine Grenzen verschieben zu lassen. Diese (beidseitige) Überschreitung von Grenzen wurde normalisiert und Teil meiner Verpflichtung. In der zeitgenössischen Kunst ist mir eine Art „Großzügigkeit“ widerfahren, wie ein Freibrief: „Mach, was du willst. Ich bin für alles offen, mache alles mit. Ich bin all in!“ Ich bin ein*e solche*r Zuschauer*in gewesen, bis ich irgendwann anfing, darüber nachzudenken — hilft es den Künstler*innen eigentlich, wenn ich jederzeit vollkommen offen bin? Außerdem — bin ich überhaupt die ganze Zeit vollkommen offen? Ist es angemessen, heilsam, fürsorglich, gehaltvoll, herausfordernd, lehrreich, transformativ, überhaupt möglich, die ganze Zeit offen zu sein? Was bedeutet es für das Verständnis und die Praxis von Konsens, wenn die Grundlage einer Ausbildung permanente Offenheit ist?

Es ist Zeit für einen Neustart. Es ist Zeit, die Normalisierung der Überschreitung von Grenzen hinter uns zu lassen, und uns stattdessen einem gemeinsamen Spüren Empfinden zuzuwenden. sentire + con = Konsens.

Con / sider con / sentire

Was ist das gedankliche Bild deiner / unserer Wahl, wenn du / wir uns Gedanken über Konsens machen — hat es mit körperlicher Berührung und der Haut als primärer Grenze zu tun? Indem ich ein wenig heraus zoome und einen potentiell nicht-normativen, nicht-dominanten somatischen Ansatz verfolge, möchte ich die Art und Weise neu umreißen, wie ich / du über Berührung nachdenke/n. Selbst im Kontext von Konsens und Theater und Performance, in den auch die Reihe Haptic Entanglements eingebettet ist, muss ich / müssen wir den Ausschnitt vergrößern, um ein akkurateres Bild zu bekommen. Ich will schauen, ob du mir ein wenig vertrauen kannst, oder es zumindest versuchen kannst, denn ich werde über Konsens sprechen. Damit ich das kann, brauche ich ein wenig Vertrauen von dir.

Wenn ich über Konsens spreche, solltest du wissen, dass ich dabei zu den Wurzeln des Worts zurück gehe. Ich betrachte es an und seziere es. An diesem Punkt beginnt mein Verständnis, also möchte ich dort beginnen. Die Herkunft von Konsens ist consentire bzw. con + sentire und bedeutet zusammen fühlen, empfinden, spüren, wahrnehmen. All diese Dinge (die Sinne) basieren nicht allein auf dem Haptischen, können aber durch eine haptische Brille betrachtet werden. Das Haptische ist zu reduktiv. Ich möchte unser geteiltes Verständnis von Konsens durch einen weitläufigeren Begriff von Berührung sowie Wahrnehmung jenseits von Berührung erweitern stärken. Wenn uns das gelingt, können wir die gegenwärtige Hierarchisierung der Sinne aufbrechen betreten wir über den Weg körperbasierter, sinnlicher Erfahrungen ein Terrain von Konsens, das nicht auf Berührung beschränkt ist.

Wie verstehst du Berührung?

Wie verstehst du empfinden?


Grenzen

Betrachten wir Berührung in ihrer einfachsten Form als eine Begegnung zweier oder mehr Grenzen. Nun denke an all die verschiedenen Arten von Grenzen, die es gibt: emotionale, körperliche, intellektuelle, sexuelle, energetische, spirituelle, kulturelle, psychologische.

Wie spürst und verstehst du deine eigenen Grenzen, und wodurch weißt du, wenn sie überschritten werden?

Was passiert in den Momenten, in denen du / ich / wir Unbehagen empfinden? Oder wenn eine Grenze übertreten wurde? Wann und wo lernen wir, Grenzen zu setzen und geltend zu machen?

Verkörperter Konsens lässt sich noch auf weitere Arten veranschaulichen: Prüfe, ob es Raum gibt, eine Grenze zum Ausdruck zu bringen, ohne dass dies nachteilige Auswirkungen hat.

Kontext

Wenn Wenn ich / wir darauf hinarbeiten, verkörperten Konsens zu verstehen, müssen wir / ich / du zunächst in der Lage sein, den Kontext und die Kultur zu verstehen, in die wir immer schon eingebunden sind. Macht, Privilegien, Unterdrückung und Zugang sind alle Teil einer Konstellation, die bestimmte Aspekte davon ausmachen, wie wir / du / ich Kultur erleben.

Sobald wir unseren Standort verstehen, können wir gemeinsam auf eine Grundlage hinarbeiten, die auf geteilten Vorstellungen von Handlungsmacht, Vertrauen, Verletzlichkeit, Verantwortlichkeit und Zugang beruht. Ich biete einen Ausgangspunkt an, an dem wir / du / ich Dinge benennen, die systemisch sind und daher Teil der Gleichung. Diese Dinge beeinflussen, wie du / ich / wir Dinge sehen. Das bedeutet, dass sie auch beeinflussen, wie wir Grenzen verstehen, interpretieren, schaffen und respektieren.

Aus meiner Position⁶ kann ich nicht über Konsens sprechen, ohne einige Verhaltensweisen oder Merkmale der Kultur weißer Vorherrschaft⁷ anzuerkennen, insbesondere in Bezug auf Theater und Performance. Zwei dieser Merkmale, die mir in den Sinn kommen, sind „Das Recht auf Bequemlichkeit“ und „Objektivität“⁸. Grob umrissen bezeichnet „Das Recht auf Bequemlichkeit“ ein Verhalten, was auf der Überzeugung beruht, dass diejenigen, die Machtpositionen innehaben, den größten Komfort verdienen. „Objektivität“ wiederum ist ein Verhalten, das auf dem Glauben basiert, dass es so etwas wie Neutralität gibt. Das Einbeziehen von Emotionen in Entscheidungsfindungen wird als etwas Negatives gesehen, bzw. emotionale Intelligenz wird insgesamt abgewertet. Wenn wir uns tatsächlich mit Konsens beschäftigen wollen, müssen du / ich / wir emotionale Intelligenz und andere Formen des Empfindens wertschätzen. Konsens ist nicht transaktional, und beruht auch nicht auf Logik.

Als Gegenpol dazu möchte ich emotionale und somatische Intelligenz miteinbeziehen und gleichzeitig Intellekt und Logik entpriorisieren. Ich möchte andere Systeme autonomen und kollektiven Verstehens hinzuziehen, um diejenigen dynamischen Beziehungen einzugehen, die ins Spiel kommen, wenn es um Konsens geht. Zu diesem Zweck möchte ich eine Reihe eine Übung anbieten, die uns (wieder: dich und mich) darin unterstützen kann, unser Verständnis von Konsens (zusammen spüren) im Hinblick auf Theater und Performance zu verändern. Beginne damit, Konsens nicht als Vertrag zu denken, sondern als komplexes Beziehungsfeld. Stimmungen sind real. Gefühle sind berechtigt. Intuition ist berechtigt.

Kannst du dir einen Moment nehmen, um bewusst zu atmen; schau’ nach draußen, betrachte etwas in der Ferne, wende deine Augen von der Seite ab, und während du einen tiefen Atemzug nimmst [einatmen…… ausatmen……], beobachte, wie du dich fühlst. Wie fühlt sich dein Körper an? Wie fühlt sich dein Verstand an? Rasen deine Gedanken, bist du abgelenkt? Ist die Frequenz deines Herzschlags schnell oder langsam? Fühlst du dich wohl? Woher weißt du, ob du dich wohl fühlst?

Kannst du dich einlassen?

Innerhalb diesen komplexen Beziehungsfeldes (du kannst es dir auch als Spektrum oder Konstellation vorstellen) müssen wir auch über Empathie und Handlungsmacht als Gefühls-basierte Konzepte nachdenken, die uns für unser Verständnis von Konsens helfen. Wenn wir uns aufeinander einlassen, müssen wir uns in gegenseitiger Nähe zueinander befinden. Und nicht nur in Nähe zueinander, sondern in einer weiteren gemeinsamen Beziehung. Dafür gibt es einen Begriff: propinquity. Propinquity ist ein Wort, dass die Begriffe kinship — eine Art von intimer Nähe oder Beziehung — und proximity — eine räumliche oder zeitliche Nähe oder Beziehung — miteinander kreuzt. Wenn es beispielsweise etwas oder eine Person gibt, für das / die du eine Vorliebe hast, kannst du das verdeutlichen, indem du in ihrer Nähe bist. Um es stark vereinfacht zu sagen: Man ist den Dingen nahe, die man mag, oder bewegst sich auf sie zu — und man bewegt sich von den Dingen weg, die man nicht mag, oder ist ihnen fern. Ferner gilt es, zu verstehen, dass sich diese Beziehungen verändern können, und dies abhängig von den Kontexten auch tun. Wenn man propinquity auf das gemeinsame Empfinden anwendet, kann es in Bezug auf Konsens Anhaltspunkte für das Verständnis unserer eigenen Präferenzen liefern, selbst wenn wir nicht wissen, was wir wollen — und natürlich erst recht, wenn wir es wissen. Für den Fall, dass wir nicht wissen, was wir wollen, können wir propinquity als ein Instrument zur Einschätzung davon nutzen. Und wir können es nicht nur als Instrument zur Einschätzung, sondern auch als Navigationswerkzeug nutzen. Du kannst Kannst du propinquity als ein Konsens-Barometer erleben? Check your vibe.

Auf dem Weg

Im Kontext von [Bühnen-]Performances⁹ bin ich sind wir oft mit einer Reihe von Binaritäten und Hierarchien konfrontiert, die nicht die Art von ganzheitlichem Verständnis fördern, das notwendig ist, um eine Konsens-basierte Kultur anzustoßen. Hierarchien existieren, und diese Hierarchien gehen einher mit unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten (wenn überhaupt) zu Macht, Privilegien, Handlungsmacht, Verletzlichkeit, Sicherheit, Grenzen, Bequemlichkeit und weiterem. Ermesse einmal all die Konstellationen von Menschen, die das Setting einer Bühnenperformance ausmachen, und denke an die Dynamiken in solchen Beziehungen. Beinhalten diese Dynamiken Bestandteile, die eine Konsens-basierte Kultur fördern? Der Körper ist kein Objekt. Vorsicht Sei dir bewusst: Etiketten, Zuschreibungen und Bezeichnungen können den Körper entmenschlichen. Diese Entmenschlichung führt uns weg von Empathie und Handlungsmacht, welche wir brauchen lebendige Bestandteile von Konsens sind. Ich möchte zu Praktiken der Empathie und der Handlungsmacht übergehen. Können du und ich von einer horizontaleren Beziehung ausgehen? Können wir in dieses Verhältnis die Möglichkeit integrieren, Dinge unterschiedlich zu verstehen und zu äußern, und dies auf der Grundlage einer intersektional informierten Herangehensweise tun? Sobald wir diese Unterschiede anerkennen und verstehen, können wir uns aktiv mit Empathie, Handlungsmacht und Verantwortlichkeit beschäftigen. Damit sind wir auf dem Weg zu einer Kultur, die auf Konsens basiert.


Verkörpertes Konsens-Duett

1. Entspanne deinen Anus.

2. Finde einen oder mehrere Partner*innen.

3. Vereinbart Grenzen zwischen dir und der / den anderen.

4. Berührt euch nicht körperlich (vermeidet Berührung).

5. Nehmt wahr, wie ihr euch fühlt: emotional, körperlich, psychisch und anderweitig.

6. Stellt Blickkontakt mit der / den anderen her — für einen flüchtigen Augenblick, oder einen längeren Anblick.

7. Setzt euch nebeneinander.

Stellt Ohrenkontakt her-

8. Hört euch gegenseitig zu, ohne zu sprechen.

Imaginiert euch als der andere

Findet heraus, wo ihr aufhört und die andere Person beginnt

9. Findet den gemeinsamen Körper zwischen euch beiden, ohne, dass es Überschneidungen gibt (berührt euch nicht).

10. Lehnt euch zueinander hin, lehnt euch voneinander weg, lehnt euch nach links, lehnt euch nach rechts, oder lehnt euch zu einer Seite und dann zur anderen. Lehnt euch nach vorn und lehnt euch zurück.

11. Tut so, als ob ihr euch um die andere(n) Person(en) sorgt.

12. Stellt euch vor, dass eine Verbindung etabliert wurde.

13. Erweitert diese Verbindung in eure Umgebung.

14. Nehmt eure Umgebung wahr Beobachtet und lauscht auf eure Umgebung.

15. Findet euren eigenen Weg, diese Übung abzuschliessen…


Referenzen / Ressourcen


1 Es gibt keinen deutschen Begriff, der „Accountability“ akkurat übersetzt. Eine umschreibende Übersetzung wäre: „Bereitschaft, Rechenschaft über sich abzugeben“ (Anm. d. Übersetzers).

2 Adaptierte Fragen von: „Learning Good Consent“ (s. Verzeichnis der Referenzen am Schluss).

3 Wenn ich „wir“ sage, meine ich dich — die Person, die diesen Text liest, und mich — die Person, die diesen Text schreibt.

4 „Free reading“ ist ein bestimmter Lesestil. Falls du dich damit beschäftigen möchtest, findest du hier eine Übung: https://trainingforthenotyet.net/preview/exercises/free+reading+instructions+brfor+reading+text+out+loud/.

5 „Consider“ = betrachten, beachten, bedenken. „Con-“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „zusammen, gemeinsam“; „sentire“ kommt ebenso aus dem Lateinischen und bedeutet „fühlen, empfinden, Einsicht haben, meinen, denken“. Die etymologische Nähe von „consider“ und „consentire“ hat kein Äquivalent im Deutschen, ebensowenig wie „sentir“ und „sensing“ (allenfalls das veraltete „(über etwas nach-) sinnen“) (Anm. d. Übersetzers).

6 Meine Position ist die einer queeren, nicht-binären, behinderten Schwarzen Person, die in den 70ern geboren und weiblich sozialisiert wurde.

7 Eine Reihe von Merkmalen und Verhaltensweisen hat Tema Okun in ihrem Text „White Supremacy Culture“ ausgemacht (s. Referenzen).

8 Das sind zwei von mehreren spezifischen Merkmalen, die der Text von Tema Okun herausstellt (s. Referenzen).

9 Das meine ich im Gegensatz zu Performances des Alltags, beispielsweise die Performance von Gender, Macht, und anderer sozialer Konstrukte.