Und dann habe ich gelesen, dass Kompost sexy ist

erschienen am 07. Mai 2020

Im Atrium des Schiffbaus entsteht gerade der Schauspielhaus-Garten. Wie seid Ihr zu diesem Projekt gekommen?

Max: Im Schauspielhaus gibt es Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen, da habe ich mich für die Gartengruppe entschieden. Die Vorstellung, dass es im Atrium überall grün ist, finde ich einfach toll. Und dann habe ich gelesen, dass Kompost sexy ist. Und da dachte ich, da muss ich doch dabei sein.

Julia: Das Schauspielhaus hat «Veg and the City» angefragt, ob wir das Gartenprojekt im Schiffbau-Atrium mitgestalten wollen. Wir haben bei der Planung beraten und kümmern uns bei der Ausführung um die Produktbestellung, Pflanzenorganisation sowie ums Einpflanzen. Im ersten Jahr unterstützen wir zudem den Unterhalt: Zweimal pro Woche wird jemand von uns vorbeischauen, damit die Pflanzen nicht nur überleben sondern auch schön gedeihen.

Was habt Ihr für einen persönlichen Bezug zum Gärtnern?

Julia: Ich hatte privat immer einen Garten oder einen Balkon und habe grosse Freude dran. Mit meinen zwei Kindern pflanze ich auch oft. Ich habe keine klassische Gärtnerlehre gemacht, sondern Landschaftsarchitektur studiert. Jetzt bin ich etwa seit fünf Jahren bei «Veg and the City» und seither ist dieser Urban Gardening-Trend ja total am boomen. Da geht’s nicht nur um den ästhetischen Aspekt, sondern um die Verwertung, das versuche ich meinen Kindern auch zu vermitteln. Privat nehme ich es mit dem Gärtnern nun ein bisschen lockerer. Wenn man bei der Arbeit so viel gärtnert, braucht man es zu Hause nicht auch noch ständig. Aber Spass macht es mir auf jeden Fall.

Max: Ich lese ich mich manchmal ein bisschen rein, wenn es nicht so gut aussieht bei meinen Blümchen zu Hause. Aber im Grunde vertraue ich eher der Natur. Ich freue mich, wenn was überlebt und es irgendwie wächst. Und wenn es mal daneben wächst, bin ich auch froh. Es hat schon auch was Entspannendes...

Beim Toni-Areal gibt es eine Dachterrasse mit einem öffentlichen Garten. Und ich habe entdeckt, dass die da Salbei haben - das fand ich so toll. Ich habe ein bisschen davon genommen für einen Tee oder Salbeinudeln – übrigens ein sehr gutes Rezept. Ich finde es schon beeindruckend, wenn man unterwegs eine Pflanze sieht, diese erkennt und damit kochen kann. Das kenne ich vom Pilze sammeln: Wenn man realisiert, dass man dafür nicht mal Geld ausgeben musste. Und dann schmecken sie auch noch gut!

Wofür soll der Garten genutzt werden?

Max: Ich glaube, dass der Garten erstmal ein Rückzugsort für die Mitarbeiter*innen des Schauspielhauses sein soll. Es gibt auch den Wunsch, den Garten zu öffnen, zum Beispiel Einführungen oder Lesungen und Performances darin zu machen. Da gibt’s aber viele Sachen zu beachten, zum Beispiel wie viele Leute sich im Atrium überhaupt versammeln dürfen.

Mein Traum wäre ja, dass der Garten sich so verwurzeln würde im Schauspielhaus, dass man den nie wieder wegkriegt. Das wäre mein euphorisches Ziel, dass egal welche Intendanzen danach kommen und egal was mit dem Theater in Zukunft passiert – dass der Garten einfach bleiben würde. Das fände ich grossartig: Auf den Trümmern von Theatern bleibt ein Garten. Oder wenn sich die Wurzeln reinfressen in diesen Beton – und du kriegst sie nicht mehr einfach so weg.

Julia: Ich habe gehört, dass vor einigen Jahren im Atrium auch schon Vorstellungen gespielt wurden. Deshalb bestand auch der Wunsch nach einem mobilen Garten, den wir nun ja in Kisten anpflanzen. In erster Linie soll der Garten ein Rückzugsort sein, den man mitgestalten kann, wo man sich trifft…

Was wird dort alles gepflanzt?

Julia: Es sind insgesamt etwa 90 Kisten - und das meiste darin ist essbar. Es gibt Gemüse, Kräuter, Salate, Obstbäume und die Idee ist, dass die Kantine davon ab und zu etwas verwenden kann. Auch wenn sich das von den Mengen her in Grenzen hält. Und was nicht essbar ist, ist sehr bienen- und insektenfreundlich. Wir haben drauf geachtet, dass einheimische Gehölze verwendet werden und dass es viele blühende Pflanzen gibt.

Ausserdem gibt es zwei verschiedene Komposte. Einen Thermokompost und einen Wurmkompost. Da sind um die tausend Würmer mit dabei, die gefüttert werden müssen - mit einem richtigen Speiseplan. Ich hoffe ja sehr, dass die Tiergruppe sich dann brav um sie kümmern wird. Diese war ein Teil der Gartengruppe, die eigentlich Schildkröten und Hühner im Garten wollten. Jetzt sind es Würmer geworden.

Max, mit Komposthaufen hast Du ja auch schauspielerisch schon Erfahrung…

Max: Ja genau. Alexander Giesche hat mich beim Internet auf den Komposthaufen gepflanzt, wo ich über die Kompostmoderne und über die Vorzüge eines Komposthaufens referierte. Da hat er mich schon ein bisschen angefixt. Ich liebe das Gärtnern, aber bin mir nicht sicher, ob ich einen grünen Daumen habe… Also ich finde das gut, Julia, dass Ihr das erste Jahr noch über den Garten schaut, damit da nicht irgendwas eingeht.

Julia: Es zeigt sich bei vielen Gemeinschaftsprojekten, die wir gemacht haben, dass das sinnvoll ist. Am Anfang ist die Euphorie immer gross und die Leute haben Lust mitzumachen. Aber es lässt jeweils schnell nach und dann ist gut, wenn jemand fest dabei ist und nach den Pflanzen schaut. Aber ich denke, sobald wieder Normalität einkehrt und die Leute vor Ort sind, wird der Garten hoffentlich zum Selbstläufer.

Max: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Wurm- und dem Thermokompost?

Julia: Der Wurmhumus ist wirklich viel feiner. Der wird durch den Wurm richtig zersetzt. Der Thermokompost zersetzt dafür mengenmässig mehr, auch mit einer Heissrotte von bis über 60 Grad Celsius. Er zersetzt sich über Mikroorganismen. Da würde ich eher grosse Rüstabfälle reintun. Der Wurmkompost ist für die Grösse des Gartens eher eine Spielerei. Ein solcher ist eher für den Bioabfall einer 4- köpfigen Familie geeignet. Wenn wirklich viel anfällt, schaffen die Würmer das nicht so schnell.

Max: Was du jetzt gerade sagst, mit diesen Regenwürmern und das alles seine Zeit braucht, bis es wächst… Ich glaube, vor allem in unserem Betrieb, wo ja immer sehr viel produziert wird, finde ich das gut, dass man mit dem Garten etwas hat, das eine andere Zeitlichkeit reinbringt.

Ich hatte auch schon diese Idee, dass das ein riesiger Wald wird, dass die Bäume weit über das Dach hinauswachsen, aber das ist ja vom Gewicht utopisch.

Julia: Leider ja…

Max: Was ist eigentlich mit dem Hopfen?

Julia: Der kommt! Es gibt schon Seile, an denen er fest montiert wird. Daran werden sich ungefähr 15 Stück hochranken.

Max: Ist das genug, um Bier zu machen?

Julia: Das kommt darauf an, wie viel. Habt Ihr nicht eine Brauerei?

Max: Mein Vater ist Bierbrauer. Den könnte ich schon mal anfragen, aber der wird sagen, dass er mit den paar «Strankerlen» auch nichts machen kann. Das ist ja eine Kunst für sich. Da kann man nicht einfach so ein paar Hopfen reinschütten und dann wird das schon.

Wie wird im Lockdown mit dem Gartenprojekt umgegangen? Die Mitarbeiter*innen wurden ja dazu aufgefordert zu Hause Pflanzen anzusäen, um diese dann gemeinsam einzupflanzen.

Julia: Zum Glück hatten wir die grossen Planungssitzungen mit der Gartengruppe noch vor dem Lockdown. Für das Einpflanzen hätten wir natürlich gerne so viele Mitarbeiter*innen wie möglich eingeladen. Jetzt arbeiten wir in Schichten, damit wir die Abstandsregeln einhalten können und tragen Masken. Es war auch ein Einweihungsfest geplant, das erstmal verschoben wurde.

Das mit dem selbst zu Hause Pflanzen ziehen, hat gut geklappt. Wir haben auch Starterkits verteilt, für alle Mitarbeiter*innen, die nicht schon ausgerüstet waren. Mir wurden immer wieder Fragen weitergeleitet von Leuten, die selbst einen Garten haben und gefragt haben, ob es noch Platz hat für ihr Gemüse. Es klappt also auch in Zeiten von Corona.

Hast Du auch eine Pflanze gesät für den Schauspielhaus-Garten?

Max: Ja, meine 80-jährige Nachbarin kümmert sich gerade um meine zierliche Pflanze, weil ich nicht in Zürich bin. Dafür schreibe ich ihr Postkarten aus Wien.